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Was der Buzzcut bzw. meine neue Frisur mit Kriminalität zu tun hat. Teil 2.

Autorenbild: Kristina (Kriminologin)Kristina (Kriminologin)

P.S. Es ist vielleicht, was du denkst.

Der - in TEIL 1 erklärte - Labeling-"Prozess" ist natürlich keine unmittelbare Reaktion innerhalb von Sekunden. Es ist nicht so, dass mir jemand sagt "Krissi du siehst kriminell aus" und ich denke mir "ok, dann habe ich jetzt die Absolution mich kriminell zu verhalten". Es wirkt langfristiger, subtiler und auf mehreren Ebenen. Unser Selbstbild entsteht daraus, wie wir denken, dass andere uns wahrnehmen. Durch Interaktion mit dem Umfeld und wie dieses auf uns und unsere Verhaltensweisen reagiert.


Seit ich meinen Buzzcut habe, merke ich, dass die Gesellschaft weniger/ andere Ansprüche an mich hat.

Hätte das Langhaar-Girl (fiktionale Beispiele!) ihre Beine in der Bahn auf den Sitz gelegt, den Kaugummi auf die Straße gespuckt oder in die Runde gerülpst, wären alle irritiert gewesen und hätten sich gefragt, was mit mir nicht stimmt. Würde ich diese Dinge jetzt tun, wären vermutlich weniger Leute irritiert. Denn man sieht an meiner Frisur, dass mit mir etwas nicht stimmt oder ich jedenfalls diese gesellschaftlichen Verhaltensweisen nicht so befolge wie es für meine Rolle ('Frau') geschrieben wurde. Menschen sind jetzt irritierter, wenn ich respektvoll, umsichtig oder sogar freundlich auftrete. Davor wurde es erwartet.

Und es macht was mit mir. Natürlich folge ich nach wie vor meinem moralischen Kompass. Aber es ist ein Gefühl von Freiheit, dass diese Rollen-/ Normkonformität nicht mehr (so stark) erwartet wird.


Menschen erwarten jetzt, dass ich aus der Reihe tanze und selbstbewusst bin (Davor wäre es vllt. als arrogant gelabelt worden?).

Dass ich als mutig und selbstbewusst eingeschätzt werde hilft mir, 'mutig' zu sein und Dinge auszuprobieren. Bunten eyeliner und Baggy Jeans fand ich z.B. schon lange cool. Fand aber immer, das passt nicht zu meiner Rolle, man würde sich Fragen "was hat die Frau da am Auge!?" und wieso trägt das Langhaar-Girl solche Klamotten? Jetzt würden Menschen vllt sogar erwarten, dass ich noch 'expressiver' auftrete. Die markante Sonnenbrille hätte ich aus Angst vor Bewertung davor nie getragen. Jetzt denke ich mir es passt zum Style und niemand würde sich denken, die Brille ist too much.


Letztendlich spiele ich nur eine neue Rolle...

... bzw. lebe Teile aus, die ich mich davor aufgrund der vermeintlichen Rolle nicht traute zu sein. Innerhalb eines Tages und der ersten Tage nach dem Cut habe ich mich als Mensch an sich vermutlich nicht weiterentwickelt. Aber ich übernehme die veränderten Erwartungen in mein Selbstbild und verändere dieses sowie mein Verhalten - und das macht doch einiges mit mir, wie ich 4 Wochen später beobachten kann. Ich spiele eine neue Rolle, aber dadurch, dass es nicht in die engen Rollenbilder fällt fühlt es sich einfach an wie Freiheit. Und die Freiheit, "rollenkonform Frau zu spielen" habe ich nach wie vor.


Wir alle spielen Rollen.

Verschiedene Rollen in verschiedenen Kontexten. Und es ist total spannend, sich vor der Labeling-Theorie mal zu reflektieren. Wird eine bestimmte Verhaltensweise oder Aufgabe wie automatisch von dir erwartet? Woher kommt welche Zuschreibung (vllt. auch Glaubenssatz)? Wer erhält es eigentlich aufrecht und wieso (Ich selbst proaktiv oder werde ich von außen nach wie vor darin gehalten)? Kann und möchte ich mich davon frei machen?

 

Text vom 12.09.2023


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