Vor der Insta-Präsenz war mein Leben deutlich unbeschwerter
- Kristina (Kriminologin)
- 30. Dez. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Aktuell - okay, das ist eine Lüge, ich weiß gar nicht, wie lange sich das schon zieht - fällt es mir super schwer, Beiträge zu verfassen und vor allem: Reels aufzunehmen.
Und einer der demotivierendsten und ausschlaggebendsten Punkte hängt mit der Aussage des gestrigen Posts zusammen. Eigentlich wollte ich nur zwei Bilder teilen, die sich ganz oberflächlich auf die aktuelle Debatte um sog. "Messerkriminalität" beziehen. Aber unterm Verfassen bemerke ich, wie sehr das auf extrem viele Situationen und auf mein aktuelles Motivationslevel für insta passt.
Das Ding ist: Ich setze mich stundenlang freiwillig und unbezahlt hin und erstelle Beiträge, weil es mir persönlich ein Anliegen ist, Kriminalität zu entmystifizieren und Fake News entgegenzuwirken. Nur damit ich am Ende wieder mit Leuten diskutieren muss, die sagen "das kann nicht sein, bei mir war/ ist das anders", "ich kenne viele, wo..." oder wie dieÄrzte sagen: ihre Bildung aus der BILD haben. Leute, die nicht verstehen (wollen), dass wissenschaftliche Erkenntnisse und persönliche Erfahrungen koexistieren können und erstere zweitere überhaupt nicht ausschließen (wollen). Dass persönliche Erfahrungen aber kein geeigneter Referenzpunkt sind, um wissenschaftliche Erkenntnisse zu widerlegen. Und es gibt die Leute, die in ihrer Meinung ohnehin gefestigt sind, egal was die Daten sagen. Denen manchmal auch nichts anderes übrig bleibt, als mich persönlich anzugreifen, um mir irgendetwas entgegensetzen zu können.
Ob ich was zur Messerkriminalität sagen kann? Ja. Habe mich gestern den kompletten Vormittag mit den aktuellsten Zahlen/ Erkenntnissen dazu beschäftigt. Auch, weil mich verschiedene Kriminalitätsphänomene nach wie vor brennend interessieren. Was ja meine ursprüngliche, intrinsische Motivation für mein Studium und auch den öffentlichen Kanal waren.
Aber es würde mich nochmal mehrere Stunden kosten, die Kernaussagen und Limitationen dieser versch. Datengrundlagen in einen Post zu verpacken und das differenziert darzustellen. Gleichzeitig teilen irgendwelchen ahnunglosen und/oder ideologisch motivierten Menschen & Gruppen einzelne Zahlen, die in ihr Narrativ passen. Zahlen, die sie in einer Absolutheit darstellen, die als grob fahrlässig betitelt werden kann und aufgrund derer sie absolut falsche Rückschlüsse auf die Ursachen von Kriminalität ziehen. Deren Einschränkungen und Kontext sie nicht erklären (können) - und am Ende ist das für die jew. Gruppe auch fein. Wozu also die Mühe?
In mir erklingt dann die Stimme "dann musst du doch erst recht nen Post verfassen". Gleichzeitig fällt mir ein, dass selbst differenzierteste Beiträge wild interpretiert werden und es nur bestimmte Schlagworte braucht, damit unsachliche bis beleidigende Kommentare bei mir abgeladen werden. Zusätzlich kickt Impostor, Perfektionismus, Fehlendes Selbstbewusstsein & Zeitmanagement, generelle Desorganisation, fehlendes Planungstalent und immer wieder die Frage, wieso ich mir das antue.
Ob ich schon mal überlegt habe, aufzuhören? Häufiger, als ich mir eingestehen will. Das Feuer vom Anfang erlischt immer weiter und häufig versuche ich die Flamme, hier sinnbildlich für den insta Algorithmus, einfach irgendwie am Laufen zu halten. Man wird nämlich super schnell irrelevant und während es Stunden dauert, Follower:innen aufzubauen, dauert es nur einen "kontroversen" Beitrag oder Inaktivität, um hunderte zu verlieren.
Und gleichzeitig weiß ich, dass es neben all den Dingen, die mir die Freude an insta nehmen, noch viele viele mehr gibt, die meine Beiträge sehr schätzen und mir immer wieder dankbare Nachrichten schreiben. Und denen gegenüber fühle ich mich schlecht, dass ich nicht in der Regelmäßigkeit und Qualität poste, die sie verdienen.
Wieso ich weiter mache?
Zu einem erheblichen Teil genau wegen dieser Menschen. Wegen all der Nachrichten, die mich wöchentlich erreichen und mir sagen, was ich für eine Inspiration bin, wie sehr ich ihnen helfe und wie sehr sie meine Inhalte wertschätzen. Außerdem will ich nicht, dass diejenigen "gewinnen", die mich Schweigen sehen wollen, meine Posts melden und mich persönlich angreifen. Weil ich dagegenhalten will, wenn Stereotype und Fake News über Kriminalität gestreut werden und ich gerne eine "rationale" Perspektive zeigen will. An der Stelle wird mir dann übrigens sehr häufig Täter:innenschutz vorgeworfen. Es ist wirklich zum verzweifeln.
Immer häufiger kommt der Gedanke hoch "ohne diese insta-Präsenz war dein Leben deutlich unbeschwerter". Das stimmt. Auf so vielen Ebenen. Und ich weiß noch nicht, was die finale Konsequenz daraus ist. Aktuell jedenfalls lebe ich am besten damit, insta nur selten/ oberflächlich zu bespielen.
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Der Post war vom 30.01.2023 und ist nach wie vor aktuell. Nur den letzten Satz müsste ich hier und heute (30.12.2023) austauschen, denn trotz aller Anstrengungen bemühe ich mich aktuell doch wieder, täglich zu posten. Mal sehen, wie lange ich durchhalte
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