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"Kristina, ich finde du musst dich endlich positionieren, ob du mal vergewaltigt wurdest"

Autorenbild: Kristina (Kriminologin)Kristina (Kriminologin)

Als ich diese Forderung mal in den Stories geteilt habe, war die Empörung darüber groß, wie man mir so etwas schreiben könnte. Ich bekam viel Zuspruch: ich müsse wissen, ich sei niemandem irgendetwas schuldig. Und trotzdem begegnen mir - aus der selben Bubble, teilw. von denselben Leuten - immer wieder zwei Reaktionen.


1) wenn ich sage, ich halte nichts von dem Spruch "die Opfer haben immer lebenslang" oder "das Leben ist nach der Tat auf jeden Fall zerstört" werde ich heftig kritisiert. Dabei will ich Betroffenen lediglich eine glückliche Zukunft, ihre Chancen, Lebensfreude usw. nicht absprechen. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren, nicht alle sind ihr Leben lang massiv beeinträchtigt oder traumatisiert, haben ein hohes Straf-, Anzeige- oder Rachebedürfnis. Jede Geschichte und jeder Umgang damit ist anders und man sieht es den Leuten nicht an. Ich dachte, da wären wir uns einig.


2) "du als nicht-Betroffene kannst dazu gar nichts sagen". Ich habe mich bisher NIE positioniert, welche Formen von Gewalt ich wann in meinem Leben durch wen erlebt habe - oder auch nicht. Ein nüchterner, scheinbar emotionsloser Umgang mit dem Thema sexualisierte Gewalt muss nicht bedeuten, dass es mich kalt lässt, ich auf Betroffene scheiße, Täter:innen schütze - oder was auch immer mir vorgeworfen wird - und auch nicht, dass ich (nicht) betroffen bin. Jede Geschichte und jeder Umgang damit ist anders und man sieht es den Leuten nicht an. Ich dachte, da wären wir uns einig.


Wieso also erhebt sich genau die Bubble - die so hart dafür kämpft, dass unterschiedliche Umgänge mit und Folgen von Trauma(ta) total legitim sind, dass man es Betroffenen nicht zwangsläufig ankennt, weil sie eben nicht das Häufchen Elend in der Ecke sind usw -  immer wieder über oder gegen mich und wirft mir vor, ich könne nicht betroffen sein? Woran will sie das ablesen?


Und mehr noch: durch dieses "du als nicht-Betroffene kannst dazu gar nichts sagen" werde ich einerseits mundtot gemacht und gleichzeitig dazu gedrängt mich zu 'outen'. Die selben Menschen, die mir schreiben "wie kann man sowas von dir fordern" (s. Zitat am Anfang) schreiben im nächsten Moment ich könne es ja nicht wissen und irgendwie nötigen mich ebenso dazu, mich zu positionieren, wie die Menschen, die diese Forderung direkt stellen.


Bereits jetzt also wird - je nachdem wie Leuten es passt - gegen mich verwendet, dass ich (keine) sexualisierte Gewalt erlebt habe. Wenn ich ihnen nicht rational genug bin, stellen sie mich als Opfer hin. Wenn ich ihnen zu rational bin, sprechen sie mir ab, Opfer sein zu können. Absurder kann es eigentlich nicht sein. Menschen werfen mir gleichzeitig vor, dass ich Opfer von SG wurde und dass ich KEIN Opfer von SG wurde. Wie kann man in die eine oder andere Richtung überhaupt einen Vorwurf daraus machen?


Eigentlich sollte man in dieser Bubble Mut finden können, sich mit der eigenen Geschichte zu zeigen und aufgefangen werden - egal, wie man damit umgeht. Aber je länger ich auf insta unterwegs bin, desto weiter weg komme ich davon, auch nur irgendetwas über mich persönlich zu erzählen, geschweige denn schwierige Geschichten aus meinem Leben. Weil es die eine oder andere Seite als Waffe gegen mich nutzen wird.


Opfer von sexualisierter Gewalt haben jedes Recht, so mit der eigenen Geschichte umzugehen wie sie es wollen - oder können. Und ich sage immer: wenn ein Mensch in der Situation des Übergriffs schon erleben musste, wie ihm die Kontrolle genommen wurde, dann lasst den Menschen doch wenigstens die Kontrolle darüber, was danach mit ihnen passiert*, also wie sie weiter vorgehen wollen, wem sie wann in welchem Ausmaß & in welcher Form von dem Erlebten erzählen usw. Denn sonst nehmt ihr der Person einmal wieder die Kontrolle und liefert sie dem aus, was das Umfeld oder Behörden an Konsequenzen zeigen.

(*sofern man Kontrolle darüber haben oder erlernen kann)


 

Text vom 07.03.2023

 
 
 

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