Die polizeiliche Kriminalstatistik - die wichtigsten Begriffe erklärt
- Kristina (Kriminologin)
- 30. Dez. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Nachdem die Reels auf insta mehr als beschissen ankommen, dachte ich mir, ich nerve euch auch noch hier mit dem Thema. Meine Reichweite ist aber generell im Keller und ich hab viel Zuspruch bekommen, vllt liegt es also auch nicht rein an den PKS-Inhalten.
Ich fände es wirklich schön, wenn die Hintergründe und Limitationen dieser Statistik, die bald alle wieder rauf- und runterdiskutieren werden, bekannt sind. Deshalb hier nochmal kompakt in Textform:
Die Datenbasis:
Die PKS basiert auf bundesweit gesammelte Daten über Kriminalität eines Kalenderjahres. Sie bildet demnach das Hellfeld ab, d.h. Delikte, die der Polizei durch Anzeige und Kontrolle bekannt wurden.
Die PKS ist eine Ausgangsstatistik, d.h. sie bildet den Wissensstand ab, der am Ende der polizeilichen Ermittlungen feststeht. Man spricht daher häufig davon, dass die PKS eher eine "Arbeitsstatistik" der Polizei ist und es wird von Tatverdächtigen (TV) gesprochen.
Als aufgeklärt gilt eine Tat dann, wenn eine Tatverdächtige Person ermittelt werden könnte, egal, ob diese nach gerichtlicher Feststellung als Täter:in benannt und verurteilt wird.
Was genau kann man ablesen?
Aus den veröffentlichen Tabellen entnehmen lassen sich neben den Fallzahlen je Delikt zahlreiche Informationen zu TV & Opfern, räumliche Gliederungen, Zeitreihen uvm. Beispielhaft beantwortet werden können also Fragen wie:
Wie viele Fälle von X gab es (in DE/ in Bundesland X)?
Wie hat es sich über die Jahre entwickelt?
Wie viele weibl./ männl. Opfer gab es bei X (nach Geschlecht & Alter)?
Wie viele TV gab es bei X (nach Geschlecht & Alter)?
In welcher Altersgruppe gibt es die meisten Tatverdächtigen bei X?
In welcher Altersgruppe & für welches Geschlecht ist das Risiko, ein Opfer von X zu werden am höchsten?
Wie sah die Beziehung von Tatverdächtigen zu Opfern bei Delikt X aus?
uvm.
Wieso die Unterscheidung von Kontroll- und Anzeigedelikten so wichtig ist:
Kontrolldelikte bezeichnen diejenigen Delikte, die der Polizei größtenteils durch Kontrolltätigkeiten auffallen, z.B. BtMG Verstöße.
Anzeigedelikte hingegen diejenigen, die der Polizei hauptsächlich durch Anzeigen von Opfern und Zeug:innen bekannt werden, z.B. Sexualstraftaten.
Dies liegt in der Natur der Kriminalitätsformen, denn ein Drogendealer oder eine Konsumentin werden sich nicht polizeilich über Betrügereien der Gegenseite beschweren, genausowenig klopft die Polizei routiniert an alle Wohnungstüren und kontrolliert, ob dort gerade sexualisierte/ häusliche Gewalt allg. stattfindet.
Diese Grundlagen sind vor allem für die Interpretation der Zahlen und Veränderungen der Kriminalitätsentwicklung wichtig.
Häufig wird deliktübergreifend berichtet, was kontraproduktiv ist. Hier ein paar Bsp., wieso:
(Interpretation der) Aufklärungsquote:
bei Kontrolldelikten ist eine Aufklärungsquote von nahezu 100% keine große Errungenschaft (weil TV direkt vor einem stehen); bei Anzeigedelikten, in denen die Polizei TV (mit nur wenig Anhaltspunkten) ermitteln muss, schon (eher).
Daraus ergibt sich für eine deliktsübergreifende Interpretation der Anzeigequote: wenn die große Mehrheit der entdeckten Straftaten Kontrolldelikte waren, dann kann die Ermittlungstätigkeit der Polizei noch so schlecht gewesen sein, die Aufklärungsquote insgesamt wird hoch ausfallen.
Interpretation des Hell-/ Dunkelfeldes und Verzerrungen
Wenn Kontrolldelikte durch Kontrolle sichtbar werden und Anzeigedelikte durch Anzeige, muss man sich einerseits fragen, wie kontrolliert wird und andererseits, wie angezeigt wird.
Das Hellfeld der Kontrolldelikte hängt also offensichtlich extrem von dem Ausmaß polizeilicher Kontrollen ab. Nach welchen Straftaten in welchen Gebieten (und welche Personen) kontrolliert wird, kann medialer Aufmerksamkeit oder politischer Agenda folgen, unterliegt aber auch persönlichen Erfahrungen und/ oder strukturellen Vorurteilen, die (un)bewusst zu einer überproportionalen Kontrolle bestimmter Menschengruppen/ Gebiete usw. führen können. Diese "Merkmale" der Tatverdächtigenpopulation im Hellfeld muss nicht zwangsläufig der Verteilung im Dunkelfeld entsprechen.
Ob ein Delikt angezeigt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die sowohl je nach Person von Tatverdächtigen und Opfer, aber auch je nach Delikt variieren können. Für die Anzeige einer Sexualstraftat sind andere Faktoren befürwortend oder hinderlich als bei der Überlegung, einen Diebstahl anzuzeigen.
Allgemein kann die Anzeigeneigung beeinflusst werden durch: ob und wie schlimm eine Straftat wahrgenommen wird, ob man denkt, die Anzeige lohnt sich (empfundene Aufklärungswahrscheinlichkeit, notwendige Voraussetzung für Schadensersatzansprüche, schnellere & bessere Wiedergutmachung auf anderen Wegen), Scham- und Schuldgefühle, Bedrohung durch Täter:in, Sensibilisierung für Kriminalität (war schon immer da, wird jetzt aber ernstgenommen & angezeigt)..
Aufgrund der Verzerrungen durch das Kontroll- und Anzeigeverhalten bildet die PKS nicht zwangsläufig die "tatsächliche" Entwicklung der Kriminalität ab.
Zu- bzw. abnehmende Zahlen in der #PolizeilichenKriminalstatistik KÖNNEN je nach Delikt eine Annäherung an die Veränderungen in der Realität zeigen. Die beobachtbaren Trends können zusätzlich auch auf Veränderungen in der statistischen Erfassungsmodalität / im Strafrecht zurückzuführen sein oder darauf, dass in einem Jahr ein großer Skandal/ Netzwerk an Straftaten aufgedeckt wird, wodurch in dem Bereich die Zahlen extrem ansteigen.
Beitrag vom 28.02.2023
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